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INFOS Magazin des nationalen Branchenverbands der Institutionen für Menschen mit Behinderung Nr. 40| Dezember 2012 Dienstleistungssektor boomt Immer mehr Werkstätten bieten ihren Mitarbeitenden im Rahmen attraktiver Dienstleistungen Arbeit an der Front und mit Kundenkontakt. Seiten 2-7 «Wir sind schön!» 40 Menschen mit Behinderung haben in der Stiftung Brändi eine Mode- und Stilberatung erhalten. Das Resultat ist wunderbar. Seite 10 Der besondere SBB-Schalter FTIA hat den SBB-Schalter in Giubias- co übernommen. Davon profitieren alle: die Lehrlinge, die Gemeinde und die Bevölkerung. Seite 6

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Mitgliedermagazin INSOS Schweiz, Dezember 2012

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INFOSMagazin des nationalen Branchenverbands der Institutionen für Menschen mit Behinderung Nr. 40 |Dezember 2012

Dienstleistungssektor boomt

Immer mehr Werkstätten bieten ihrenMitarbeitenden im Rahmen attraktiverDienstleistungen Arbeit an der Frontund mit Kundenkontakt. Seiten 2-7

«Wir sind schön!»

40 Menschen mit Behinderung habenin der Stiftung Brändi eine Mode- undStilberatung erhalten. Das Resultat istwunderbar. Seite 10

Der besondere SBB-Schalter

FTIA hat den SBB-Schalter in Giubias-co übernommen. Davon profitierenalle: die Lehrlinge, die Gemeinde unddie Bevölkerung. Seite 6

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Editorial

Vom Mut, Ideen in Angebote umzusetzenHaben Sie schon einmal in der Migros-Filiale inMünchenstein (BL) eingekauft oder sich am SBB-Schalter in Giubiasco ein Bahnbillet besorgt? SindSie schon mal die vielen Stufen des Kathedralen-turms in Solothurn hochgestiegen oder haben imMaladière-Quartier in Neuenburg einen Brief auf diePost gebracht? Wenn ja, dann sind Sie dabei Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern mit Handicap vonINSOS-Werkstätten begegnet – und haben es wahr-scheinlich gar nicht bemerkt. Kein Wunder: Die Pro-fessionalität der Dienstleistungen, welche die Mit-arbeitenden von Werkstätten immer öfter zuGunsten der Öffentlichkeit oder von Privaten erbringen, ist oft sehr hoch. Will sichnämlich eine Institution für Menschen mit Behinderung im Markt mit eigenenDienstleistungen behaupten, ist sie gezwungen, auf eine stabile, hohe Qualität zusetzen. Sonst gibt es keine Nachfrage – und damit keine Arbeit.

Immer mehr Werkstätten setzen heute auf Dienstleistungen und pflegen diesenBereich mit Engagement und Erfolg. Eine erfreuliche Entwicklung, von der alle Be-teiligten profitieren können: Die Mitarbeitenden etwa kommen dank neuer Dienst-leistungen zunehmend in Kontakt mit Kundinnen und Kunden. Sie lernen, in Bezie-hungen mit anderen Menschen zu treten und Beziehungen aufzubauen, kommen inBerührung mit dem ersten Arbeitsmarkt und können – wie Menschen ohne Handicap– in einem normalen Umfeld (jedoch im geschützten Setting) arbeiten. Die Privatenoder die Öffentlichkeit, welche die Dienstleistung nutzen, profitieren von einemqualitativ guten und insbesondere flexiblen Service. Denn: Werkstätten können füreine Stelle – beispielsweise für jene eines Kirchenwarts – anstelle einer einzigenPerson ein flexibles Team zur Verfügung stellen, das 365 Betriebstage abdeckt. Einaugenfälliger Mehrwert.

Schliesslich profitieren auch die Werkstätten selbst von einem wachsenden An-gebot an Dienstleistungen. Vor allem jene Betriebe, die bislang eng mit der Indus-trie zusammengearbeitet haben, registrieren insbesondere wegen der Weltwirt-schafts- und Finanzkrise sinkende Aufträge. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz inden Billiglohnländern gross ist und immer öfter Arbeitsschritte automatisiert wer-den. Das Schaffen neuer geschützter Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor kanndie Werkstätten entlasten und ihnen helfen, sich von der Industrie und den wirt-schaftlichen Schwankungen unabhängiger zu machen. Hinzu kommt, dass eine pro-fessionell erbrachte Dienstleistung dem Image der Institution nur förderlich seinkann und auch Türen öffnet für die Erbringung neuer Dienstleistungen.

Für die Entwicklung neuer Dienstleistungen braucht es die Bereitschaft, mitHilfe des eigenen Netzwerkes Marktnischen aufzuspüren, und den Mut, erfolgsver-sprechende Ideen in attraktive Dienstleistungen umzusetzen. Wagen Sie es – eswerden alle davon profitieren.

Freundliche Grüsse

Pierre-Alain UbertiGeschäftsführer a.i. INSOS Schweiz

< Titelbild: RestaurantBrunegg, Zürich (Foto:Robert Hansen/GastroGuide).| Mehr dazu auf Seite 12

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Im Fokus | Wachsendes Dienstleistungsangebot der Werkstätten

Arbeit mit Kundenkontakt nimmt zu

Früher wurde in den Werkstätten fürMenschen mit Behinderung in erster Li-nie geschreinert, geflochten, gewoben,gestrickt, geleimt oder geschweisst.Entsprechend bescheiden sah ihre Pro-duktepalette aus und entsprechend starkähnelte sich das Sortiment der Werkstät-ten quer durch die Schweiz.Anders heute: Die Institutionen habenbereits vor Jahren erkannt, dass Frauenund Männer mit Behinderung – mit derrichtigen Anleitung und Begleitung –auch qualitativ hochwertige Produkteherstellen, komplizierte Aufträge aus-führen und gefragte Dienstleistungenanbieten können. «Der Dienstleistungs-sektor der Werkstätten ist in den letztensechs, sieben Jahren stark gewachsen»,bestätigt denn auch Denis Mosimann,Bereichsleiter Arbeit bei INSOS Schweiz.«Immer mehr Werkstätten bieten attrak-tive Dienstleistungen an, die direkt derÖffentlichkeit oder Privaten zu Gutekommen.» Dabei spielen nicht seltenauch wirtschaftliche Gründe eine Rolle:Mit neuen Dienstleistungen kann einRückgang an Auftragsarbeiten gezieltaufgefangen werden (vgl. Editorial).

Zahlreiche innovative BeispieleInteressante Beispiele für gefragte, in-novative Dienstleistungen gibt es in derSchweiz inzwischen zahlreiche – darun-ter Betreuungsdienste für Betagte, Cate-ring-Services, Heimlieferdienste, dieBetreuung öffentlicher WC-Anlagen, dieReinigung von Kaufhäusern oder Privat-wohnungen, die Pflege öffentlicherParkanlagen, Gartenservices etc. Hinzukommen Migros- und Postfilialen, Bahn-hofstationen, Restaurants und Hotels,die von Institutionen geführt werden

Noch vor 25 Jahren waren Men-schen mit Behinderung in Werk-stätten primär handwerklich tätig.Seit einigen Jahren jedoch boomtder Dienstleistungsbereich derWerkstätten dank innovativerIdeen: Immer öfter übernehmenMänner und Frauen mit Behinde-rung Arbeiten im öffentlichenRaum oder für Private.

und in denen Männer und Frauen mit Be-hinderung arbeiten. «Diese grosse Viel-falt zeigt: Der Phantasie der Institu-tions- und Werkstattleiter sind imDienstleistungsbereich kaum Grenzengesetzt», betont Denis Mosimann.

Erfolg dank Netzwerk und QualitätDamit eine Werkstätte mit der Lancie-rung einer neuen Dienstleistung Erfolghat, gilt es laut Mosimann allerdings di-verse Punkte zu beachten: «Absolut zen-tral ist ein grosses, funktionierendesNetzwerk», betont er. Es erlaube nichtnur, Aufträge hereinzuholen, sondern lie-fere auch Ideen für neue Dienstleis-tungszweige. Eine Mitgliedschaft im ört-lichen Gewerbeverband sei deshalb einMuss. Wichtig sei zudem ein Gespür fürMarktlücken sowie eine hohe Qualität dererbrachten Dienstleitung: «Nur wer kon-stant und zuverlässig gute Arbeit leistet,wird längerfristig mit seiner Dienstleis-tung bestehen können.» Die Qualität dergeleisteten Arbeit hänge direkt mit derQualität der Schulung und Begleitungsowie mit der sorgfältigen Auswahl derMitarbeitenden zusammen: «Menschenmit Behinderung müssen ihren individu-ellen Ressourcen entsprechend für dieneue Arbeit ausgewählt, ausgebildet undangeleitet werden.»Denis Mosimann und auch SusanneAeschbach, Bereichsleiterin BeruflicheIntegration bei INSOS Schweiz, sehen imwachsenden Angebot an externen Dienst-

leistungen grosse Vorteile: Es biete Män-nern und Frauen mit Behinderung ganzselbstverständlich direkten Kontakt undBegegnungen mit Kundinnen und Kun-den und ermögliche ihnen eine Arbeit ineinem normalen Umfeld. «Solche Ar-beitsplätze können einigen Personenauch den Übertritt in den ersten Arbeits-markt deutlich erleichtern», ist SusanneAeschbach überzeugt.

Mit Marktpreisen gegen MissgunstDoch wie reagieren andere Gewerbetrei-bende auf die Konkurrenz der Institutio-nen? Denis Mosimann winkt ab: «WennWerkstätten ihre Dienstleistungen zuüblichen Marktpreisen und in hoher Qua-lität anbieten, werden sie in der Regelauch von anderen Gewerbetreibendenakzeptiert und respektiert.» Natürlichhöre man immer wieder die Kritik, Werk-stätten böten subventionierte Dienst-leistungen und Produkte an. «Doch dieseBehauptung ist schlicht falsch», stelltMosimann richtig. «Der Kanton finan-ziert weder Produkte noch Dienstleistun-gen, sondern lediglich die behinderungs-bedingten Mehrkosten. Diese Tatsachegilt es immer und immer wieder zu beto-nen – insbesondere im Gewerbeverband.»| Barbara Lauber

Vielfältige Dienstleistungsangebote: Die gawbeispielsweise führt zwei Migros-Partner-Filialen inBasel und Münchenstein (BL). Bild | zvg

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Betreuungsdienst mit Spitex | sintegrA Zürich

Helfen, begleiten, betreuen

Sie gehen für betagte Menschen undMenschen mit Behinderung einkaufen,übernehmen Haushaltsarbeiten, leistenihnen Gesellschaft, begleiten sie aufSpaziergängen, Ausflügen, zu Anlässenoder Arztbesuchen und gehen auch malmit ihnen auswärts essen. Letztes Jahrwaren die 120 Mitarbeitenden des Be-treuungsdienstes von sintegrA Zürichüber 25 000 Stunden im Einsatz.Das Besondere an diesem Betreuungs-dienst ist: Die Mitarbeitenden wissenaus eigener Erfahrung, was es heisst,Unterstützung in Anspruch zu nehmen.Sie ringen selber immer wieder mit psy-chischen Schwierigkeiten und beziehendeswegen eine IV-Rente. «Bei uns findensie eine flexible Arbeit im geschütztenRahmen sowie intensive Begleitungdurch Fachpersonal», erklärt sintegrA-Geschäftsführerin Elisabeth Kronenberg.

In schwierigen Zeiten waren sieselber auf Unterstützung angewie-sen – nun sind sie es, die helfen: ImsintegrA-Betreuungsdienst beglei-ten 120 Männer und Frauen mitpsychischer Beeinträchtigung Betag-te und Menschen mit Behinderung.

Acht Mitarbeitende gehören inzwischender neu aufgebauten Psychiatrie-Spitexan, die auf die Betreuung und Pflege vonMenschen mit psychischer Beeinrächti-gung spezialisiert ist: «In einer inter-nen, fünfmonatigen Ausbildung lernendie Mitarbeitenden, auf der Basis ihrereigenen Krankheitsgeschichte professio-nelle Betreuungsarbeit im Psychiatrie-Bereich zu leisten», erklärt Kronenberg.Daneben bietet der sintegrA-Betreu-ungsdienst auch allgemeine Spitex-Dienstleistungen an – mit Mitarbeiten-den, die über eine pflegerische Aus-bildung verfügen.Wer im Betreuungsdienst arbeitet, mussals erstes erfolgreich einen 13-wöchigenFachkurs absolvieren. «Die Mitarbeiten-den werden dort befähigt, selbständigund zuverlässig professionelle Bezie-hungsarbeit zu leisten und mit den be-treuten Menschen achtsam, wertschät-zend und fair umzugehen», erklärtKronenberg. Von dieser Beziehungsar-beit profitierten auch die Mitarbeiten-den selber: «Sie wachsen an ihren Bezie-hungen und gewinnen an Stabilität undSelbstvertrauen», sagt Kronenberg.«Das miterleben zu können, ist für michimmer sehr schön.» | Barbara Lauberwww.betreuungsdienst-zh.ch

Egal, ob man die neue öffentliche WC-Anlage der Stadt Solothurn benützt, obman hoch oben im Kathedralenturm einTicket ersteht oder in der St. Ursen-Ka-thedrale eine Broschüre kauft: In jedemFall begegnet man Mitarbeitenden derSolodaris Stiftung Solothurn, die sichfür die berufliche und soziale Eingliede-rung von Menschen mit psychischer Be-einträchtigung engagiert.Solodaris arbeitet bereits seit mehrerenJahren erfolgreich mit der Stadt und derKirchgemeinde zusammen. Im März 2010eröffnete Solothurn die erste öffentlicheWC-Anlage, welche seither sechs bisacht Mitarbeitende von Solodaris undder Sozialfirma ProWork in Grenchen be-treuen. In Kontakt mit der Kirchgemein-de kam Solodaris, nachdem im Januar2011 in der Kathedrale ein Brandan-schlag verübt wurde. Die Kirchgemeindefragte die Stiftung an, ob sie Personalfür die Aufsicht in der Kathedrale sowieein flexibles Turmwart-Team stellenkönnte. Heute stellen fünf Personenwährend 365 Tagen die Aufsicht in derKathedrale sicher. Und weitere fünf Per-sonen amtieren als Turmwarte.

«Eine Win-win-Situation»Von dieser Zusammenarbeit profitiertennicht nur die Gemeinden, sondern insbe-sondere auch die Mitarbeitenden, istChristian Urben, stellvertretender Leiterder Solodaris-Werkstätte Wyssesteiüberzeugt. «Es ist eine Win-win-Situati-on für alle Beteiligten.» Dass die Ar-beitsplätze an der Front attraktiv seien,zeige sich insbesondere darin, dass dieNachfrage immer sehr gross sei. «Vieleunserer Mitarbeitenden ziehen die Ar-beit an der Front dem Platz in der Werk-statt vor», sagt Urben. Sie schätztenden Kundenkontakt und erzählten immerwieder von spannenden Begegnungen,die den Arbeitsalltag bereicherten.| Barbara Lauberwww.solodaris.ch

Betreuung einer WC-Anlage

Im öffentlichenDienst

Mitarbeitende der Solodarisbetreuen eine öffentlicheWC-Anlage und arbeiten alsTurm- und Kirchenwarte.

Betreuungsdienst von sintegrA Zürich: Im Zentrumsteht die Beziehungsarbeit. Bild | zvg

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Die gaw bietet in ihren Migros-Partner-Filialen über30 Arbeits- und Ausbildungsplätze. Bild | zvg

Migros-Partner | gaw, Gesellschaft für Arbeit und Wohnen

Arbeit und Ausbildung im Verkauf

In den Jahren 2000 und 2002 hat diegaw, Gesellschaft für Arbeit und Wohnen,von der Genossenschaft Migros Baselzwei Filialen vollumfänglich übernom-men: die Filiale Zollweiden in München-stein (BL) und die Filiale Zürcherstrassein Basel. In beiden Betrieben arbeitenheute mehr als 30 Frauen und Männer miteingeschränkten Lern- und Leistungsfä-higkeiten – entweder im Rahmen einesgeschützten Arbeitsplatzes, eines Ar-beitstrainings oder im Rahmen einer Aus-bildung (Detailhandelsfachmann/-fach-frau oder Detailhandelsassistent/-in).Daneben werden auch Praktika, interneAnlehren sowie Praktische Ausbildungen(PrA) nach INSOS angeboten.

Fachpersonal von der MigrosDie Filialleiter, ihre Stellvertreter sowiedie Rayonleiter hat die gaw von der Mig-

Seit zwölf Jahren führt die gaw,Gesellschaft für Arbeit und Wohnen,in Basel mit Erfolg zwei Migros-Fili-alen. Dort finden über 30 Menschenmit Handicap attraktive Arbeits-und Ausbildungsplätze.

ros übernommen. Sie waren alle bereitsüber zehn Jahre im Detailhandel tätig,haben sich danach im Bereich Arbeitsin-tegration weitergebildet und unterstüt-zen seither die Mitarbeitenden bei ihrertäglichen Arbeit. Als Migros-Partner be-zieht die gaw 75 Prozent ihres Sortimentsvon der Migros und ergänzt dieses in denbeiden Filialen gezielt und situativ mitMarkenartikeln von Drittlieferanten so-wie mit einem Alkohol- und Zigaretten-sortiment.

«Sehr positive Erfahrungen»Wer mit Klientinnen und Klienten so starkim Kundenkontakt stehe, sehe sich täg-lich vor neue Herausforderungen gestellt,sagt Thomas Obert, Abteilungsleiter Pro-duktion und Detailhandel in der gaw. Somüsse etwa das Tagesgeschäft in denbeiden Filialen auch dann weiterlaufen,wenn Klientinnen und Klienten wegeneiner Krise nicht arbeiten könnten.«Doch insgesamt sind unsere Erfahrun-gen sehr positiv», betont Thomas Obert.Schön zu sehen sei insbesondere, wie dieMitarbeitenden gar nicht mehr als Klien-tinnen und Klienten erkannt werden.«Für die Kunden sind sie dann einfach

das Migros-Personal ihres Quartierla-dens.»

Die gaw bewirtschaftet noch weitere at-traktive Dienstleistungszweige: Sie bie-tet einen Party- und Catering-Service anund führt das Restaurant Balade in Basel,die Kantine der Gewerbeschule sowie dieKüche der Alterspension Dalbehof. Dane-ben stellt sie in ihrer Glacé-Manufaktur inMünchenstein die Traditionsmarke GelatiGasparini her. | Barbara Lauberwww.gaw.ch

Geschätzter Service: Die Postagentur im FoyerHandicap. Bild | zvg

Postagentur | Fondation Foyer Handicap in Neuenburg

Eine Poststelle fürs Quartier

Als die Post im Maladière-Quartier inNeuenburg geschlossen wurde, hatte dieFondation Foyer Handicap die zündendeIdee: Sie eröffnete an ihrem Sitz einePostagentur nach dem Prinzip «Post imDorfladen». Dort können Quartierbewoh-nerinnen und -bewohner Pakete oder ein-geschriebene Briefe abholen, kleine Geld-beträge abheben oder Briefe und Paketeaufgeben. Einzahlungen hingegen sindnicht möglich.

Zwei Fliegen auf einen Streich:Dank der Postagentur im FoyerHandicap in Neuenburg bleibt demQuartier die Post erhalten. Und fürdie Institution bedeutet die Kund-schaft soziale Durchmischung.

«Diese Dienstleistung fürs Quartier be-währt sich seit sechs Jahren und wird sehrgeschätzt», sagt Nicolas Jaccard, Direktorvon Foyer Handicap. Die Leute müsstensonst den Weg zur Hauptpost auf sich neh-men. Jaccard ist der Post sehr dankbar fürihre Offenheit und Unterstützung, welchedas Projekt erst ermöglichte. Denn auchfürs Foyer Handicap sei die Postagenturein Gewinn: Durch die Kundschaft findeeine Öffnung des Heims und der Werkstät-ten gegen aussen statt. Noch stärker spür-bar sei diese soziale Integration für diesechs Mitarbeitenden mit körperlicher Be-hinderung, welche abwechslungsweise inder Postagentur arbeiten, begleitet voneinem Arbeitsagogen.Anders als ursprünglich geplant, lebensämtliche Mitarbeitenden der Postagentur

extern. «Die Arbeit in der Postagentur be-dingt eine gewisse körperliche Mobilität,welche bei Bewohnern des Foyer Handicapnicht gegeben war», sagt Direktor Jaccard.| Barbara Spycherwww.foyerhandicap.ch

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SBB-Schalter «alla stazione» | Die Federazione ticinese integrazione andicap betreibt den Bahnhof

Die SBB-Agentur in Giubiasco ist mehr als nur

Draussen wähnte man sich noch an ei-nem gewöhnlichen SBB-Bahnhof. Dannbetritt man die Schalterhalle, und derBlick fällt auf gelbe und orange Wände,auf grosszügige Bilder von schönen Tes-siner Destinationen, auf eine gemütlicheSpielecke für Kinder und ein SchwarzesBrett der Gemeinde. Hier würde man ger-ne auch ein bisschen länger verweilen.Am Schalter sitzt ein junger Mann, derzuvorkommend lächelt und nach den

Wünschen fragt. Es ist Ivan Stallone,20-jährig, in Ausbildung zum KaufmannEFZ.Er ist einer von vier Auszubildenden, diezurzeit am Bahnhof Giubiasco ausgebil-det werden. Alle haben ein körperliches,psychisches oder kognitives Handicap,weshalb ihre Ausbildung im Rahmen vonberuflichen Massnahmen von der IV un-terstützt wird. Der Bahnhof Giubiasco istsomit mehr als eine SBB-Station. Er wirdvon der Tessiner Federazione ticineseintegrazione andicap (FTIA) betrieben,welche einen Verkaufsvertrag mit denSBB hat. «Alla stazione» nennt die FTIAdas Ausbildungsprojekt. «Der Bahnhofist für uns, zugespitzt gesagt, Mittelzum Zweck, um Menschen mit besonde-ren Bedürfnissen eine individualisierteAusbildung zu ermöglichen», sagt Stati-onsleiter Nicola Leoni von der FTIA.Auch wenn selbstverständlich die Quali-tät der Dienstleistungen, die Kompetenzund Freundlichkeit im Umgang mit denKunden hochgehalten werden.

Die INSOS-Institution FTIA hat denSBB-Schalter in Giubiasco übernom-men. Davon profitieren alle: DieLehrlinge mit besonderen Bedürf-nissen, die hier individualisiert aufihren Lehrabschluss vorbereitetwerden, die Gemeinde, aber auchdie Kunden und Kundinnen.

Nun ist er bereits im zweiten Ausbil-dungsjahr und weiterhin motiviert. «Erwill wirklich», sagt Nicola Leoni. «Auchwenn es nicht immer einfach ist, aber erwill, jeden Tag von neuem.» Die Arbeitam Computer und der Kundenkontakt sa-gen Ivan Stallone sehr zu. Bis auf inter-nationale Reisen könne er fast alle Kun-denanfragen selber beantworten undbearbeiten. Je nach Thema brauche ermanchmal etwas mehr Zeit, um neuenStoff zu verstehen. Schwer falle ihm, inBriefen und Mails die passenden Formu-lierungen zu finden, das müsse er nochtrainieren. In Korrespondenz und inWirtschaft bekommt er Nachhilfeunter-richt, im einen Fall von der Berufsschu-le, im andern Fall von der FTIA. LetztesJahr nahm er Nachhilfe in Deutsch undBuchhaltung. Das ist jetzt nicht mehrnötig.

Schwierige StellensucheZiel jeder Ausbildung bei der FTIA, auchbei «alla stazione», ist immer eine An-stellung im ersten Arbeitsmarkt − mitoder ohne IV-Rente. Wie viele der bisherrund 30 Ausgebildeten das geschafft ha-ben, kann Nicola Leoni nicht sagen. Esexistiere keine Statistik. Zudem gäbenmanche nach dem Lehrabschluss einerWeiterbildung den Vorzug vor einer An-stellung. Klar sei: Von denjenigen, wel-che die Prüfung absolviert haben, hät-ten alle bestanden, etliche mit sehrguten Noten. Klar sei aber auch: ImTessin sei es für alle schwierig − selbstmit guter Ausbildung und ohne Handi-cap − eine Stelle zu finden. Und, soweiss Graziella de Nando, Verantwortli-che Sektor Ausbildung bei der FTIA: «Diemeisten Betriebe stellen lieber jemandschlechter Qualifizierten ohne Handicapein als jemand besser Qualifizierten mitHandicap.» Selbst wenn die Behinde-rung körperlicher Art sei, verunsicheredas die meisten Arbeitgeber und sie lie-ssen sich lieber nicht darauf ein. Auchhier ist die Sensibilisierungs- und Über-zeugungsarbeit der FTIA gefragt.

Auch ein Gemeinde-Schalter«Alla stazione» ist aber nicht nur SBB-Schalter und Ausbildungsstätte, sondernauch ein Schalter der Gemeinde Giubias-

Ein Projekt der FTIA

Die SBB-Agentur in Giubiasco wird vonder Federazione ticinese integrazioneandicap (FTIA) betrieben. Diese wurde1973 von einer Gruppe Menschen mitkörperlicher Behinderung gegründet,um die sportlichen Aktivitäten im Tes-sin zu koordinieren. Auch heute vertrittdie FTIA als Selbsthilfeorganisation dieInteressen von Menschen mit Behinde-rung. Gleichzeitig bietet die FTIA rund40 Arbeits- und Ausbildungsplätze fürMenschen mit Behinderung an, unteranderem in der SBB-Agentur «alla sta-zione» in Giubiasco. Dieses einzigartigeProjekt wurde 2001 in Zusammenarbeitmit den SBB und der Gemeinde Giubias-co ins Leben gerufen. Die kaufmänni-schen Ausbildungsplätze von «alla sta-zione» werden über die BeruflichenMassnahmen der IV finanziert. | spywww.ftia.ch

Das sind Ziele, die auch den Lernendenvermittelt werden. Neben StationsleiterNicola Leoni arbeiten zwei weitere kauf-männische Angestellte mit Teilzeitpen-sen im Bahnhof Giubiasco, um die beruf-liche Ausbildung der Lernenden zugewährleisten. Um deren speziellen Be-dürfnissen gerecht zu werden, bildensich die Angestellten entsprechend wei-ter und nehmen an Supervisionen teil.Im Unterschied zu anderen Lehrbetrie-ben kann bei «alla stazione» individuel-ler auf die Bedürfnisse jedes einzelneneingegangen werden. Sei es bei Men-schen mit einer Seh- oder Hörbehinde-rung, aber auch bei solchen mit einerkognitiven Verlangsamung, wie IvanStallone eine hat.

Bereits die zweite AusbildungFür den 20-Jährigen ist dies die zweiteAusbildung. Er hat bereits eine Attestaus-bildung zum Büroassistenten abgeschlos-sen. Doch weil er bessere Chancen aufeine Stelle haben möchte − was im Tessinschwieriger ist als anderswo in der Schweiz−, hat er sich entschieden, noch die drei-jährige Ausbildung zum Kaufmann, die mitdem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisabgeschlossen wird, anzuhängen.

«Der Bahnhof ist für uns Mittelzum Zweck, um Menschen mitbesonderen Bedürfnissen eineAusbildung zu ermöglichen.»Nicola Leoni, Leiter «alla stazione»

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in Giubiasco

nur ein Bahnhof

co. Nebst dem Schwarzen Brett mit Bau-ausschreibungen und anderen kommu-nalen Informationen, findenEinheimische bei «alla stazione» Aus-künfte und Formulare der Gemeinde,aber auch Tageskarten, Kehrichtsäckeoder von der Gemeinde verbilligte Ozon-oder U25-Abonnemente. Für dieseDienstleistungen wird «alla stazione»von der Gemeinde Giubiasco finanziellentschädigt. Denn auch die Gemeindehat ein Interesse daran, dass der SBB-

Schalter in Giubiasco geöffnet bleibt.2001 hätte er geschlossen werden sollen− was dank dem Projekt der FTIA und derUnterstützung der Gemeinde verhindertwerden konnte.Seither laufe das SBB-Geschäft in Giubi-asco zufriedenstellend, sagt Nicola Leo-ni. Die Gemeinde Giubiasco habe mitihren 10 000 Einwohnerinnen und Ein-wohnern ein grosses Einzugsgebiet. Zu-

Ivan Stallone macht seine Ausbildung zum KaufmannEFZ in der SBB-Agentur in Giubiasco.Bild | Barbara Spycher

dem kämen etliche Kunden auch vonweiter her, weil sie den Service und dieBedienung sehr schätzten und hier nichtSchlange stehen müssten. Ein weitererStandortvorteil: Zugreisende, welchezwischen dem Nord- und Südtessin hinund her reisen, müssen ohnehin in Giu-biasco umsteigen.Längst nicht alle Kunden wüssten, dassder SBB-Schalter in Giubiasco eine Aus-bildungsstätte für junge Menschen mitHandicap sei. Für diese sei es ein «tol-les, integratives Projekt, weil sie jedenTag Kundenkontakt haben», sagt Gra-ziella de Nando. Es sei auch eine befrie-digende Arbeit, ergänzt Leoni, weil dieZufriedenheit der Kunden direkt erlebbarsei. Auch wenn es vereinzelt natürlichauch schwierige Kunden gebe.

Nach der Lehre ein SprachaufenthaltIvan Stallone sitzt wieder am Schalterund verlängert einer Kundin ein Abonne-ment. Es ist offensichtlich, dass er denKundenkontakt schätzt. Er ist höflich,wirkt zuvorkommend und sympathisch.Ob er sich seine berufliche Zukunft nachseinem Lehrabschluss weiterhin an ei-nem SBB-Schalter vorstellt, kann IvanStallone noch nicht sagen. Eines weisser aber: Nach dem Lehrabschluss will ereinen Sprachaufenthalt machen, um sei-ne Deutsch- und Englischkenntnisse zuverbessern. Immer mit einem Ziel vorAugen: «Damit ich bessere Chancen aufeine Stelle habe.» | Barbara Spycher

«Etliche Kunden kommen auch vonweiter her, weil sie den Service unddie Bedienung sehr schätzen.»Nicola Leoni, Leiter «alla stazione»

Nach einem Shopping-Tag im Einkaufs-zentrum Westside in Bern-Brünnen kanndas Schleppen der Einkaufstüten schonmal zur Qual werden. Die Band-Genos-senschaft Bern, welche rund 500 Men-schen mit einer körperlichen, gesund-heitlichen oder psychischen Beein-trächtigung eine Arbeit bietet, hat die-ses Problem erkannt und vor drei Jahrenzusammen mit der Westside-Betreiberineinen Heimlieferservice für Kundinnenund Kunden ins Leben gerufen.Die beiden Mitarbeitenden der Band-Genossenschaft nehmen vor Ort die Ein-käufe entgegen, vereinbaren mit denKunden eine Lieferzeit, stellen sich dieLiefertouren zusammen und bringen dieEinkäufe mit einem Elektrofahrzeug bisvor die Haustüre. Die Lieferung von ma-ximal zwei Taschen in die umliegendenGemeinden kostet die Kundinnen undKunden 5 Franken. Wenn gewünscht,werden die Kühl- und Tiefkühlproduktezusätzlich in Isoliertaschen verpackt.

Beliebte AussenjobsObwohl die meisten Kunden mit dem ei-genen Auto anreisen, läuft der Heimlie-ferservice gut. So gut, dass das Elektro-fahrzeug demnächst durch einherkömmliches ersetzt werden muss,weil ersteres die benötigte Leistungnicht mehr bringt. Für Martin Dienger,Abteilungsleiter Service bei der Band-Genossenschaft, stellen Arbeitsplätzewie jene im Westside klar einen Mehr-wert dar: «Für die Klientinnen und Klien-ten sind solche Jobs etwas Besonderes– und etwas Besseres.» Beliebt seienauch die anderen externen Arbeitsein-sätze wie jene bei einer Berufsklei-dungsfirma, wo Klienten beim Kleider-ausladen helfen können, oder jene beiCoop, Migros oder im Stade de Suisse.Dienger: «Raus aus der Werkstatt und andie Front, das schätzen viele unserer Kli-enten.» | Barbara Lauberwww.band.ch

Hauslieferservice

Einkäufe werdenheim geliefert

Die Band-GenossenschaftBern bietet Kunden desEinkaufszentrums Westsideeinen Heimlieferservice.

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INSOS-Kongress 2012 | Franz Wolfmayr referierte packend zum Thema

Innovative Ansätze zur TeilhabeDie Konzepte Teilhabe und Inklusi-on standen im Zentrum des INSOS-Kongresses 2012 im Flims. Doch wasbedeuten diese ganz konkret? Undwie können Menschen mit Behinde-rung effektiv in Prozesse und Ent-scheidungen einbezogen werden?Franz Wolfmayr konnte hierzuanhand innovativer Projekte ausdem Ausland Antworten liefern.

Der UN-Konvention über die Rechte vonMenschen mit Behinderung liegt ein Ver-ständnis von Behinderung zugrunde,welches jede Form körperlicher, seeli-scher, geistiger oder Sinnesbeeinträchti-gung als normalen Bestandteil menschli-chen Lebens und menschlicherGesellschaft ausdrücklich bejaht unddarüber hinaus – im Sinne der Vielfalt –als Quelle möglicher kultureller Berei-cherung wertschätzt.Menschen mit Behinderung sollen ganzselbstverständlich mit allen anderenMenschen leben und sich zugehörig füh-len können. So ist in den AllgemeinenGrundsätzen (Art. 3) der Konvention dieRede von einer «vollen und wirksamenTeilhabe an der Gesellschaft und Einbe-ziehung in die Gesellschaft» sowie vonder «Achtung vor der Unterschiedlichkeitvon Menschen mit Behinderungen unddie Akzeptanz dieser Menschen als Teilder menschlichen Vielfalt und derMenschheit.»

Angebote für ein Leben daheimFranz Wolfmayr betonte in seinem Refe-rat am INSOS-Kongress 2012 insbesonde-re die neue Forderung, dass Menschenmit Behinderung in die Ausarbeitung vonRechtsvorschriften einbezogen werdensollen. Wolfmayr weiss, wovon er spricht:Er ist Präsident der European Associationof Service Providers for Persons withDisabilities (EASPD) und Mitglied der Ge-schäftsleitung der «Chance B»-Ge-schäftsgruppe. Voraussetzung sei dieaktive Einbeziehung der Menschen mitBehinderung in Entscheidungsprozessezu Fragen, welche sie selber betreffen,betonte Wolfmayr. Das bedeute ein radi-kales Umdenken, ein Erproben neuer Pro-

zesse für Entscheidungsfindungen undein Sich-Einlassen auf eine neue Reali-tät.

Dienstleistungen individualisierenFranz Wolfmayr sieht einen wichtigenSchritt in der Umsetzung der UN-Konven-tion darin, dass Dienstleistungen entwi-ckelt werden, welche es den Menschenmit Behinderung ermöglichen, zuhausezu leben und am Alltag in der jeweiligenGemeinde teilzuhaben. Die «Chance B»in Österreich hat ein Konzept entwickelt,das Dienstleistungen individualisiert.Dem Konzept liegt ein systemischer An-satz zugrunde: Die Dienstleistungenrichten sich auf die jeweiligen «Lebens-systeme» – z.B. Familie, Gemeinde, Fir-men etc. – aus und nicht nur auf diePerson selbst. Institutionen für Men-

schen mit Behinderung werden in diesemVerständnis zu Dienstleistungsorganisa-tionen, sprich zu Unternehmern. Es ver-steht sich von selbst, dass Menschen mitBehinderung in die Entwicklung vonDienstleistungen einbezogen werden.

Personenzentrierte PlanungEin weiterer erfolgversprechender Ansatzfür die Teilhabe von Menschen mit Be-hinderung ist die Personenzentrierte Pla-nung. Menschen mit Behinderung sind indiesem Kontext die Gestalter ihres Le-bens. Sie entscheiden – indem sie darinunterstützt und befähigt werden –, wosie wohnen möchten, welche Art von Ar-beitsplatz ihnen zusagt und welcheDienstleistungen sie in Anspruch neh-men möchten bzw. welche Dienstleistun-gen ein Unternehmen entwickeln muss,damit es ihren individuellen Bedürfnis-sen entspricht. Zwar sind die Dienstleis-tungen auf die Person zugeschnitten,doch auch bei diesem Ansatz spielt dasUmfeld eine zentrale Rolle. Denn auchdas Umfeld muss befähigt werden und

Menschen mit Behinderungsollen ganz selbstverständ-lich mit allen anderenMenschen leben und sichzugehörig fühlen können.

Umfrage Kongress

«Für uns und un-sere Zielgruppe –Männer mit leich-ten geistigenBehinderungen –war das mit Ab-stand der besteKongress! Aus je-

dem Vortrag konnte ich etwas mitneh-men. Die Idee, Junge mit Beeinträchti-gung in Studenten-WGs zu integrieren,ist genial, genauso wie die Mode- undStilberatung, wie sie die Stiftung Brän-di vorgestellt hat. Beides werden wirweiterverfolgen. Faszinierend war auchder Blick in die Zukunft.»Susanne NiederhauserVerwaltungsleiterinStiftung Freier leben (BE)

«Als Neuling indiesem Bereichder Sozialen Ar-beit konnte ich amKongress wertvol-le Kontakte knüp-fen. Besuche beianderen Organisa-

tionen sind bereits aufgegleist. DerKongress hat mich auch darin bestärkt,mich über die Landesgrenzen hinausinspirieren zu lassen. Angesprochen hatmich der Vortrag des ZukunftsforschersRoos: Der Megatrend Beschleunigunglöst auch in unseren Organisationenunterschiedliche Gefühle aus.»Christof TrachselGeschäftsleitung SAZ (BE)

«Der Kongress hatmich angespornt,über Hindernisseund Chancen hin-sichtlich unsererAuffassung überdie Zukunft nach-zudenken. Ängste

hindern uns manchmal daran, uns ge-meinsam zu engagieren. Ich habe aberfestgestellt, dass wir neue Wege gehenmüssen trotz der Widerstände, die zumTeil beim Erwähnen gewisser Lösungs-ansätze laut werden. Diese Wege führenüber soziale Netzwerke oder die Er-schaffung kollektiver Intelligenz.»Patrick RossettiStv. Direktor Centre-Espoir (GE)

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Thema «Wege zur Inklusion»

eilhabe von Menschen mit BehinderungUmfrage Kongress

«Der Kongress botmir die Gelegen-heit, Kollegen ausder Deutsch-schweiz zu tref-fen, Überlegungenanzustellen undauch den Ort und

die hervorragende Organisation zu ge-niessen. Das Referat über das ProjektVaubanaise hat mich besonders ange-sprochen, da ich mich selber mit einemProjekt im Gebiet des gemischten Woh-nens in Genf auseinandersetze. Und:Warum nicht einmal den Menschen mitBehinderung eine Teilnahme am Kon-gress ermöglichen?»Daniel HinnenDirektor Claire-Fontaine (GE)

«Mich hat das Re-ferat zu neuenFormen der Integ-ration in den Ar-beitsmarkt inspi-riert. Für mich istdabei deutlich ge-worden: Wir müs-

sen neue Angebotsformen schaffen,welche den innovativen Gedanken derUN-Behindertenrechtskonvention auf-nehmen. Dank einer fünfjährigenRaum-Zwischennutzung bietet sich inunserer Institution eine einmalige Ge-legenheit, solche neuen Angebote zutesten.»Basil BrunnerLeiter Bereich Arbeit, Säntisblick (AR)

«Ich bin seit ei-nem Jahr Heimlei-terin – das warmein erster Kon-gress. Er bot mireine willkommeneGelegenheit, ausdem eigenen, klei-

nen Kosmos auszusteigen und einenübergeordneten Blick zu wagen, auchüber die Landesgrenzen hinaus. DieVernetzung war vielfältig: Mit Verant-wortlichen der Politik genauso wie mitHeimleitenden, hinsichtlich neuer Er-kenntnisse der Forschung, aber auchneuer Projekte von Institutionen.»Manuela RastHeimleiterin Sonnenburg (TG)

künftige Leben der Kundinnen und Kun-den?

Bildung als VoraussetzungBildung im Sinne von Befähigung ist einegrundlegende Voraussetzung für die Rea-lisierung von Teilhabe, welche es Men-schen mit Behinderung ermöglicht, ihreInteressen zu vertreten, sich einzubrin-gen und ihre persönlichen Ziele zu ver-wirklichen. Wolfmayr betont, dass dies-bezüglich insbesondere in der politischenArbeit Nachholbedarf besteht. Schliess-lich sieht er in der örtlichen Teilhabepla-nung ein erfolgreiches Instrument hin zueiner inklusiven Gesellschaft. Die Ge-meinden als bedeutsamer Lebensraum derMenschen mit Behinderung sind in diePflicht zu nehmen, ihren Sozialraum so zugestalten, dass diese Menschen zuhauseleben und eine aktive Rolle in wichtigenEntscheidungen spielen können.Wolfmayrs Referat hat die Teilnehmen-den bewegt und viele Diskussionen aus-gelöst. Betrachten wir das als wichtigenSchritt hin zu einer inklusiveren Gesell-schaft und machen wir uns auf den Weg!| Susanne Aeschbach, BereichsleiterinBerufliche Integration, INSOS Schweiz

Referat und Präsentation unter:www.insos.ch > Veranstaltungen > Do-kumentation > 2012 > Kongresswww.chanceb.at

Buchtipp: Lampke, D., Rohrmann, A. & Schädler, J.(Hrsg.) (2011): Örtliche Teilhabeplanung mit undfür Menschen mit Behinderung – Theorie undPraxis. Wiesbaden.

die Selbstbestimmung des Menschen mitBehinderung mittragen. Wolfmayr hat zudiesem Thema eine Prüffrage formuliert:«Bringt das, was die Organisation anbie-tet, dem Kunden beziehungsweise derKundin die bestmögliche soziale Integra-tion?»

Einbezug in QualitätsbeurteilungWolfmayr führte unter dem StichwortQualität aus, dass es relevante Aspekte

von Qualität gibt, welche den Kontextbetreffen, wie z.B. der sozialpolitischeRahmen oder die nachhaltige Finanzie-rung von Dienstleistungen. Auf der Ebe-ne der Organisation gibt es qualitativeKriterien, welche u.a. das Management,die systematische Qualitätsverbesserungoder das Arbeiten in Partnerschaft be-treffen. Ein ganz wichtiger Aspekt ist dieProzessevaluierung, welche Aussagenüber die Beziehung zwischen Kunden,Dienstleistung und Anbieter macht undbewertet, was sich daraus für die Lebens-qualität der Menschen mit Behinderungergibt. Schliesslich müssen die Wirkun-gen auf ihre Qualität hin überprüft wer-den: Inwiefern verbessern die jeweiligenDienstleistungen das derzeitige und zu-

INSOS-Kongress 2012

Der nationale Kongress von INSOSSchweiz, der vom 4. bis 6. September2012 in Flims (GR) stattfand, trug denvielsagenden Titel «Zukunft ist jetzt!–Trends, Szenarien und neue Entwicklun-gen auf gesellschaftlicher, politischerund institutioneller Ebene». Über 220Institutionsleiterinnen und -leiter ha-ben sich vor Ort über künftige Trends,Szenarien und Entwicklungen im Behin-dertenbereich informiert und sich aus-getauscht. Im Zentrum stand die Frage,wie die Institutionen den Männern und

Frauen mit Behinderung eine echteTeilhabe am gesellschaftlichen Lebenermöglichen können.Die Evaluation des Kongresses zeigt,dass die Teilnehmenden mit dem Kon-gress-Thema, den Referierenden undden Inhalten sehr zufrieden waren. IN-SOS Schweiz bedankt sich für die äu-sserst positiven Feebacks. | blb

Referate und Präsentation unter:www.insos.ch > Veranstaltungen > Do-kumentation > 2012 > Kongress

«Der Einbezug von Men-schen mit Behinderung inEntscheidungsprozessebedeutet ein radikales Um-denken.»

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Fotobuch «Das passt zu mir» | Stiftung Brändi in Luzern

Dank Mode zu neuem Selbstbewusstsein

Welch stolze Blicke! Welch schöne Men-schen! Die Fotos, die der Fotograf Phi-lipp Koch von 40 Bewohnerinnen undBewohnern der Stiftung Brändi in Lu-zern gemacht hat, bewegen und berüh-ren. Sie zeigen Männer und Frauen, dieselbstbewusst vor der Kamera stehen:in passenden Kleidern, mit Schmuckund schmeichelhaften Frisuren, dieFrauen dezent geschminkt.Die grossartigen Fotos sind das Ergeb-nis des Projekts «Das passt zu mir», beiwelchem eine Designerin und ein Mode-und Stilberater 40 Menschen mit Behin-derung während eines Jahres begleitetund beraten haben. Gemeinsam habensie sich intensiv mit den Wünschen undVorstellungen der Männer und Frauenhinsichtlich ihres Aussehens und ihresAuftretens auseinandergesetzt. Höhe-punkt des Projekts war ein ausserge-wöhnliches Fotobuch sowie eine pro-fessionell inszenierte Modeshow vorrund 70 Führungskräften aus der Wirt-schaft.

Die Persönlichkeit unterstreichenUrsula Limacher, Projektleiterin undBereichsleiterin Wohnen, ist selbernoch immer begeistert, wenn sie dieFotos der Bewohnerinnen und Bewoh-ner sieht: «Es ist für mich noch heuteeine grosse Freude, den Fotoband anzu-schauen», sagt sie. «Niemand wirkt aufden Fotos verkleidet, niemand wurdeverfremdet. Im Gegenteil: Es ist unswirklich gelungen, die Persönlichkeitder Männer und Frauen zu unterstrei-chen.»Auslöser für dieses aussergewöhnlicheProjekt war die Idee einer Wohnhaus-leiterin, «einmal etwas mit Mode zumachen». Die Idee stiess bei Ursula Li-

macher wie bei der gesamten Geschäfts-leitung auf Anklang: «Wir waren unseinig: Wenn wir Menschen mit Behinde-rung in möglichst vielen Bereichen in-tegrieren wollen, ist ein gepflegtesAuftreten wichtig», betont sie. «Denndas Aussehen und das Auftreten spieltin unserer stark auf visuelle Reize aus-gerichteten Welt nun mal eine zentraleRolle.»

Neues SelbstbewusstseinDie individuelle Mode- und Stilberatungund die abschliessende professionellinszenierte Modeschau habe die Männerund Frauen sichtbar verändert, erzählt

Was geschieht, wenn 40 Menschenmit Behinderung eine Mode- undStilberatung erhalten? Die StiftungBrändi in Luzern hat die Probeaufs Exempel gemacht und dasErgebnis in einem aussergewöhnli-chen Fotobuch dokumentiert.Ein Projekt, das zum Nachahmeneinlädt.

Ursula Limacher. «Ihr wachsendes, neu-es Selbstbewusstsein zeigte sich unteranderem an einer veränderten Körper-haltung: Auf einmal standen diese Män-ner und Frauen stolz, aufgerichtet undselbstsicher da.»Bei der Frage, wie nachhaltig das Pro-jekt für die 40 Männer und Frauen ge-wesen sei, lacht Ursula Limacher leise:«Alle fordern Nachhaltigkeit. Doch washeisst nachhaltig genau?», fragt sie zu-rück. Die Veränderungen, welche dasProjekt bei den Beteiligten bewirkthabe, seien nicht wirklich in Zahlenmessbar. «Einige der Teilnehmendengehen heute bestimmt achtsamer mitsich und ihrem Äusseren um. Für anderewar das Projekt einfach ein schönes,unvergessliches Erlebnis. Beides istnachhaltig, denn beides hat seinenWert.» | Barbara Lauberwww.braendi.ch

Mit Humor und viel Eleganz: Hubert A. und CäciliaW. posieren für den Fotografen (weitere Fotos ausdem Brändi-Buch «Das passt zu mir» auf S. 11).Bilder | Philipp Koch

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Neuer GastroGuide | Restaurant Canvetto Luganese in Lugano

Wo die mittägliche Rush-Hour eine doppelte

Vorbei am «Pastificio», der Teigwaren-manufaktur, wo gerade frische Kürbisra-violi zubereitet werden, betritt man ei-nen lauschigen Innenhof. Die warmeTessiner Herbstsonne scheint durch dieBlätter der Platanen und erzeugt auf denPflastersteinen ein faszinierendes Spielvon Licht und Schatten. Noch sind diemeisten Tische des Restaurants leer,doch bald werden sich die 60 Plätze imInnenhof des Canvetto Luganese füllen.Dann muss es ruckzuck gehen, dennmehr als eine Stunde Zeit fürs Mittages-sen haben die wenigsten Gäste aus denumliegenden Büros. In Restaurants istman an diese Hektik gewöhnt, doch fürsCanvetto stellt diese mittägliche Rush-Hour eine doppelte Herausforderung dar.Denn: Ein Grossteil der Mitarbeitenden

Das Canvetto Luganese der Fondazi-one Diamante ist zweifach erfolg-reich: Als gut gehendes Restaurantmit Qualitätsküche und als Integra-tionsbetrieb für Mitarbeitende mitpsychischer Beeinträchtigung. Mitüber 80 weiteren Betrieben wirddas Canvetto im neuen «GastroGui-de» von INSOS Schweiz porträtiert.

in Küche und Service sind IV-Rentnerin-nen und -Rentner mit einer psychischenBeeinträchtigung. Das heisst: Sie sindweniger stressresistent, weniger belast-bar, haben grössere Leistungsschwan-kungen und an schlechten Tagen gehtauch mal gar nichts mehr.

Gäste erwarten QualitätGiovanni Guidicelli, Sous-Chef in der Kü-che des Canvetto, sagt es so: «Selbstmeinem besten Koch kann es passieren,dass er an einem schlechten Tag keineBéchamelsauce hinkriegt, obwohl er sieschon tausendmal gemacht hat.»Doch von solchen schlechten Tagen ei-niger Mitarbeitenden dürfen die Gästenichts mitkriegen. «Die Leute kommennicht zu uns, weil sie ein Integrations-projekt für Menschen mit Beeinträchti-gung unterstützen wollen, sondern weilsie den Service und die Küche schätzen»,sagt Betriebsleiter Paul Schneider. Siekönnten den Gästen nicht sagen: «Es tutuns leid, aber heute geht es einem Mit-arbeitenden nicht so gut, deshalb müs-sen Sie eine halbe Stunde auf Ihr Essenwarten.»

Ein Plan B in der HinterhandFolglich ist Sous-Chef Guidicelli gefor-dert. Das A und O sei eine gute Planung.Er habe immer einen Plan B, und dieserlaute: «Im Notfall müssen der Chef undich das Essen zu zweit kochen können.»Es komme immer wieder vor, dass dieanderen Mitarbeitenden aus gesundheit-lichen Gründen nicht zur Arbeit erschie-nen, dass sie später kämen oder dass sienicht im üblichen Rahmen einsatzfähigseien. Entscheidend sei, die Befindlich-keit der Mitarbeitenden wahrzunehmen,ihre Grenzen zu kennen, die Aufträge inkleine Schritte einzuteilen und derenAusführung zu überprüfen. Die Kompe-tenzen der Mitarbeitenden seien sehrunterschiedlich. Manche würden einfa-che Arbeiten übernehmen wie das Kar-toffelschälen oder das Rüsten von Ge-müse, andere seien sehr gute Köche.Giovanni Guidicelli ist kein Sozialpäda-goge, sondern gelernter Koch. Und alssolcher versteht er sich auch. Er sei we-gen dem Küchenchef ins Canvetto ge-kommen, von dem er viel lernen könne.

Die Zusammenarbeit mit Menschen mitBeeinträchtigung sei eine zusätzlicheHerausforderung, die er gerne annehme.Im Canvetto arbeiten auch zwei Sozial-pädagogen. Ihre Aufgabe ist es, einegesundheitliche Verschlechterung vonMitarbeitenden früh zu erkennen, sie inKrisensituationen zu unterstützen undmit den Mitarbeitenden individuelleEntwicklungspläne zu erarbeiten.

Immer mehr VerantwortungEine beachtliche Entwicklung hat Kell-ner Giuseppe Bernasconi* hinter sich.Als er vor zehn Jahren im Canvetto an-fing, war der Einstieg schwierig. Zuvorhatte er fünf Jahre lang wegen «gesund-

heitlicher Probleme», wie er sagt, nichtarbeiten können. Mehr möchte er zuseiner Krankheit nicht sagen, er redenicht gerne darüber. Nur soviel: «An-fangs war es schwierig, sich der Arbeitim Canvetto zu stellen.» Seine Tätigkeitbeschränkte sich aufs Tischdecken; anKundenkontakt im Service war nicht zudenken.Im Laufe der Jahre steckte er sich in Ab-sprache mit den Sozialpädagogen immerneue Ziele und übernahm die Verantwor-tung für zusätzliche Bereiche. Heuteübernimmt der IV-Rentner die gleichenAufgaben wie andere Kellner ohne Be-einträchtigung: Er bedient die Gäste, istverantwortlich fürs Kaufen von frischenBlumen, fürs Auffüllen der Getränkevor-räte oder fürs Anschreiben der Menüs aufder grossen Schiefertafel beim Eingang.«Wenn Giuseppe* in den Ferien ist, wieerst kürzlich, merkt man, dass er fehlt»,spricht ihm Paul Schneider ein dickesLob aus.Heute, sagt Giuseppe Bernasconi*, be-einträchtige seine Krankheit seine Ar-beit nicht mehr. Die üblichen Servicezei-ten abends bis tief in die Nacht könne erallerdings nicht abdecken. Er nehmeMedikamente und müsse sich abends

Canvetto Luganese

Das Restaurant «Canvetto Luganese»gehört zur Tessiner Fondazione Diaman-te. Diese Stiftung bietet rund 500 Men-schen mit Behinderung Wohn- und Ar-beitsplätze. Sie betreibt unter anderemdrei Restaurants, in welchen Menschenmit Beeinträchtigung arbeiten: Das Bis-tro 57 im Infocenter Alptransit in Pol-leggio, die Osteria l‘Uliatt in Chiassound das Canvetto Luganese in Lugano.Letzteres vermietet auch Konferenzräu-me und zeichnet sich durch sein Cachésowie eine Qualitätsküche mit selberhergestellter, frischer Pasta aus. DasRestaurant wurde im Jahr 2000 dankeiner Initiative aus dem Quartier undmit Hilfe der Fondazione Diamante wie-der eröffnet, nachdem es zuvor jahre-lang leer gestanden hatte. | spywww.f-diamante.ch

«Am meisten schätze ich anmeiner Arbeit, mitten unterLeuten zu sein.»Kellner Giuseppe Bernasconi*

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Herausforderung ist

ausruhen. Deshalb arbeitet er nur tags-über. Im Canvetto Luganese ist das imGegensatz zu vielen anderen Gastrobe-trieben möglich. «Es ist unsere Aufgabe,die Arbeitszeiten und anderen Rahmen-bedingungen so zu gestalten, dass es fürjeden stimmt», sagt Betriebsleiter PaulSchneider. Von den Mitarbeitenden mitBeeinträchtigung arbeite niemandabends – dann kommen die übrigen Kell-nerinnen und Köche zum Einsatz. Denndas Canvetto Luganese ist bis um Mitter-nacht geöffnet und bietet abends einenService à la carte (siehe Box links).

Mitten in der GesellschaftAls Integrationsprojekt für Menschenmit Beeinträchtigung erhält das Canvet-to Luganese vom Kanton im Rahmen vonLeistungsvereinbarungen Entschädigun-gen für den «behinderungsbedingtenMehraufwand». Zurzeit arbeiten im Can-vetto 28 IV-Rentnerinnen und -Rentner,teilweise mit kleinen Pensen. Sie erhal-ten zusätzlich zur IV-Rente eine Ent-

schädigung, die sich nach ihrer Leistungrichtet. Zudem arbeiten zwei Sozialpäd-agogen und sechs Fachkräfte im Canvet-to. Im Gegensatz zu herkömmlichenGastrobetrieben hat das Canvetto mehrPersonal, wodurch die eingeschränkte

Produktivität mancher Mitarbeitenderwieder aufgefangen werden kann.Es ist klar: Längst nicht alle Menschenmit Beeinträchtigung sind stabil genug,um in einem Integrationsprojekt wiedem Canvetto mit Kundenkontakt undder mittäglichen Hektik zu arbeiten.Doch für diejenigen, die soweit sind, seiein solcher Integrationsbetrieb sehr be-friedigend und integrierend, sagt Maria-Luisa Polli, Direktorin der Tessiner Fon-dazione Diamante, zu welcher dasCanvetto Luganese gehört. «Die Zufrie-denheit der Gäste drückt sich in einemLob oder einem Merci unmittelbar aus.»Ausserdem bedeute die Arbeit im Can-vetto, mitten in der Gesellschaft zu ar-beiten, und ermögliche somit eine realeTeilhabe: «Die meisten Gäste wissennicht, dass im Service Mitarbeitende mitBeeinträchtigung arbeiten. Nicht als‹anders› wahrgenommen zu werden, istfür die Mitarbeitenden sehr wertvoll.»Auch Giuseppe Bernasconi* sagt: «Ammeisten schätze ich an meiner Arbeit,mitten unter Leuten zu sein. Es bedeutetmir viel, dank der Arbeit im Canvettotagsüber eine Beschäftigung zu haben.»| Barbara Spycher* Name geändert

Neuer GastroGuide

Der neue «GastroGuide» von INSOSSchweiz ist kein Gastroführer wie jederandere: In den über 80 porträtiertenRestaurants und Hotels zeigen für ein-mal Menschen mit Beeinträchtigung ihrKönnen. Geführt werden diese professi-onellen Betriebe von Institutionen fürMenschen mit Behinderung. Im Rahmenihrer Gastrobetriebe bieten sie Männernund Frauen mit Handicap geschützteArbeits- und Ausbildungsplätze.Der «GastroGuide» feierte 2011 Premie-re. Nun hat INSOS Schweiz ihn überar-beitet, neu gestaltet und deutlich aus-gebaut. Bestellt werden kann er überden Online-Shop unter www.insos.choder über [email protected]. Der «GastroGui-de» ist neu auch im Buchhandel (ISBN978-3-906033-69-3) für 19 Franken er-hältlich. | blb

Mittendrin: Im Canvetto Luganese servieren auchIV-Rentner. Bild | Barbara Spycher

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Kurz notiert

Der neue INSOS-Geschäftsführer trittseine Stelle Anfang Dezember 2012 anAnfang Dezember 2012 ist es soweit:Dann wird Peter Saxenhofer die neueStelle als Geschäftsführer von INSOSSchweiz übernehmen. Der 54-jährigeBetriebswirt war seit 2002 Geschäfts-leiter des VCS Verkehrs-Club derSchweiz. «Wir freuen uns sehr, dass wirmit Peter Saxenhofer nicht nur einenausgewiesenen Fachmann in der Ver-bandsführung, sondern auch einensympathischen und überzeugendenMenschen für die Stelle des Geschäfts-führers gefunden haben», sagt Marian-ne Streiff, Nationalrätin und Präsiden-tin von INSOS Schweiz.

Informationsblatt von INSOS Schweizfür interessierte ArbeitgeberWie lassen sich Arbeitgeber für dieSchaffung von Praktika und Ausbil-dungsplätzen für Menschen mit Behin-derung gewinnen? Die FachkommissionBerufliche Integration von INSOSSchweiz hat für die Institutionen einneues Info-Blatt erarbeitet, welchesdiese an Arbeitgeber abgeben können.Damit das Info-Blatt auffällt, wurde esin Form eines Stelleninserates gestal-tet. «Wir suchen: Arbeitgeber mit sozi-aler Verantwortung», heisst es dort. DieINSOS-Institutionen sind eingeladen,das Stelleninserat ihren Bedürfnissenanzupassen und für ihre persönlichenKontakte mit Arbeitgebern zu nutzen.www.insos.ch > Fachbereiche > Be-rufliche Integration > Downloads

Workshop «Supported Employment»vom 23. Januar 2013 in St. GallenDie 5. wie die 6. IV-Revision zielen da-rauf ab, möglichst viele Menschen mitBehinderung in den ersten Arbeits-markt zu integrieren. Das stellt die Aus-bildungs- und Werkstätten vor Heraus-forderungen. Neue Konzepte undAngebote sind gefordert, um diesenEntwicklungen adäquat zu begegnen.Ein erfolgreiches Konzept ist SupportedEmployment, dem sich der regionaleWorkshop von INSOS Schweiz und Sup-ported Employment Schweiz vom 23.Januar 2013 in St. Gallen widmet. DasProgramm und die Online-Anmeldungfinden Sie unter:www. insos.ch > Veranstaltungen

Berufsbildungsfonds | Betrieb kann aufgenommen werden

Er bringt Vorteile für alleNach mehrjähriger Vorarbeit istes soweit: Der Bundesrat hat denBerufsbildungsfonds für den Sozial-bereich auf den 1. Oktober 2012 fürallgemeinverbindlich erklärt. Damitkann der von insgesamt 5000Betrieben finanzierte Berufsbil-dungsfonds seinen Betriebaufnehmen. Profitieren wird diegesamte Branche.

Träger des neuen Berufsbildungsfondsfür den Sozialbereich sind 16 kantonaleOrganisationen der Arbeitswelt (Gesund-heit und) Soziales sowie die nationaleDach-Organisation der Arbeitswelt Sozi-ales, SAVOIRSOCIAL, mit 16 nationalenVerbänden – darunter auch INSOSSchweiz. Das Zustandekommen des Be-rufsbildungsfonds ist eine besondereLeistung des Sozialbereiches und Aus-druck des Willens, die Berufsbildung imSozialbereich gemeinsamen und solida-risch zu fördern.

Nachhaltige FörderungDer neue Fonds hat zum Ziel, die Grund-und höhere Berufsbildung im Sozialbe-reich nachhaltig zu fördern. Um dies zuerreichen, werden aus dem Fonds zumeinen Analysen, (Pilot-)Projekte sowieEinführungs- und Umsetzungsmassnah-men im Rahmen von bestehenden undgeplanten Berufsbildungen finanziert.Auch werden Bildungsverordnungen,Rahmenlehrpläne, Ausbildungshandbü-cher, Prüfungsunterlagen und Unter-richtsmaterialien laufend unterhaltenoder neu konzipiert. Ein weiterer zentra-ler Punkt ist die Qualitätssicherung: Eva-luations- und Qualifikationsverfahrenmüssen den aktuellen Entwicklungenangepasst oder ebenfalls neu entwickeltwerden. Zudem gilt es, den dritten Lern-ort (überbetriebliche Kurse) in denGrundbildungen zu unterstützen, indemRahmenprogramme, Ausführungsbestim-mungen und gegebenenfalls auch spezi-fische Lehrmittel erarbeitet werden.

Augenmerk auf NachwuchsförderungEbenso wird auf die Nachwuchsförderungein grosses Augenmerk gelegt: Dank ei-

nem attraktiven Berufsmarketing sollengenügend Fachkräfte für den Sozialbe-reich rekrutiert und ausbildet werdenkönnen. Nicht zuletzt stärkt der Berufs-bildungsfonds die Arbeit der 17 Träger-Organisationen, indem er ihren Verwal-tungsaufwand deckt.

5000 Betriebe zahlen BeiträgeBislang wurde SAVOIRSOCIAL, die natio-nale Dach-Organisation der ArbeitsweltSoziales, als Projekt vom Bundesamt fürBerufsbildung und Technologie (BBT) so-wie durch Beiträge der Mitglieder finan-ziert. Die Ausbildungsinstitutionen wur-den von den kantonalen Organisationender Arbeitswelt (OdA) Soziales zur Kassegebeten.Nun, mit der Allgemeinverbindlicherklä-rung des Berufsbildungsfonds per 1. Ok-tober 2012 durch den Bundesrat, wirddie Berufsbildung neu von allen Betrie-ben im Kinder-, Behinderten- und Betag-tenbereich finanziert. Schätzungen ge-hen von rund 3,3 Millionen Franken aus,die in die Berufsbildung fliessen werden.Die Beiträge an den Fonds werden ge-stützt auf eine Selbstdeklaration derrund 5000 Betriebe erhoben. Eine Fonds-kommission, präsidiert von INSOS-Ge-schäftsführer a.i. Pierre-Alain Uberti,leitet den Berufsbildungsfonds und führtihn strategisch.

Alle Beteiligten profitierenDer Berufsbildungsfonds für den Sozial-bereich bringt für alle Beteiligten Vortei-le: Die Lernenden können eine qualitativhochstehende Ausbildung absolvieren,den Betrieben steht gut ausgebildetesPersonal zur Verfügung und die OdA sindin der Lage, sich professionell für die Be-rufsbildung im Sozialbereich zu engagie-ren. | Brigitte Sattler, BereichsleiterinBildung, INSOS Schweiz

Weiterführende Informationen:www.fondssocial.chwww.bbt.admin.ch > Berufliche Grund-bildung > Berufsbildungsfonds

Kontakt:FONDSSOCIAL, Amthausquai 214600 Olten; Tel. 062 212 50 85;[email protected]

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Aus dem Bundeshaus | IV-Revision 6b

Bereit für den NationalratDie Sozialkommission des National-rates hat ihre Beratungen zur IV-Revision 6b Mitte Oktober abge-schlossen. Mit ihren – provozieren-den – Anträgen an den Nationalratlöste sie bei den Behindertenorgani-sationen Empörung aus. Diesemüssen nun auf mehr Augenmassder grossen Parlamentskammerhoffen.

Die Sozialkommission des Nationalratshat gegenüber der Botschaft des Bundes-rates und den Entscheiden des Ständera-tes zur IV-Revision 6b erhebliche Ver-schärfungen vorgenommen: DieKommission erhöhte das jährliche Spar-volumen um 110 Millionen auf 360 Milli-onen Franken, indem sie über die Anträ-ge der Verwaltung hinaus ging. Worinbestehen diese zusätzlichen Leistungs-abbaumassnahmen?

Im Fokus: Stufenloses RentensystemNach Meinung des Bundesrates verhin-dert das bisherige Rentenmodell (Vier-telsrenten; ganze Rente ab einem Inva-liditätsgrad von 70%) die Motivation vonIV-Bezügern, ihre Leistungsfähigkeit zuerhöhen. Er schlug deshalb ein stufenlo-ses Modell vor, wonach der IV-Gradgrundsätzlich dem Prozentsatz der Renteentspricht.Währenddem sich dies bei Personen miteinem tiefen IV-Grad positiv auswirkenwürde, würden die Renten ausgerechnetbei Menschen mit schwerer Behinderungniedriger ausfallen (z.B. 62%-Rente beieinem IV-Grad von 62%, statt 75%); au-sserdem soll eine ganze Rente erst beieinem IV-Grad von mindestens 80% aus-gerichtet werden.

Auch Altrenten nach neuem ModellDer Ständerat nahm beim neuen Renten-stufenmodell eine wesentliche Änderungvor: Die heutigen Renten sollen höchs-tens bei einer Veränderung des Invalidi-tätsgrades von mindestens 5% ins neueModell übergeführt, sonst jedoch gemässbisherigem vierstufigem Modell belassenwerden. Hingegen sollen alle Neurentengemäss neuem Modell beurteilt werden.

Demgegenüber will die Nationalratskom-mission selbst laufende Renten dem neu-en Modell anpassen. Einzig bei Renten-bezügern, die bei Inkrafttreten derRevision über 55 Jahre alt sind, sollendie Renten gemäss dem bisher gültigenModell ausgerichtet werden. Nach Mei-nung der Behindertenorganisationenstellt dieser provokative Antrag einenReferendumsgrund dar!

Weitere SparmassnahmenHingegen hat die Kommission einen ver-nünftigen Entscheid bezüglich des Zu-gangs zur Rente getroffen: So soll wäh-rend einer noch nicht beendetenmedizinischen Behandlung, welche dieErwerbsfähigkeit erhalten oder gar ver-bessern soll, ein Taggeld ausgerichtetwerden.Ohne grössere Diskussionen ist die Kom-mission zudem dem Entscheid des Stän-derates gefolgt, wonach die Kinderren-ten von 40% auf 30% der Hauptrentegekürzt werden sollen. Ausserdem sollendie ins Ausland ausgerichteten Kinder-renten der Kaufkraft des Landes ange-passt werden. Offen ist, wie dies umge-setzt werden soll.Übernommen und teilweise sogar ver-schärft wurden die bundesrätlichen An-träge für weitere Sparmassnahmen, soz.B. bei den behinderungsbedingtenMehrkosten bei einer beruflichen Ausbil-dung oder bei den Reisekosten. Insge-samt sollen also die heutigen Leistungs-bezügerinnen und -bezüger die Sanierungder IV weitgehend selber finanzieren.

Ein Hoffnungsschimmer?Nur ganz knapp abgelehnt (mit 13 zu 12Stimmen) hat die Kommission einen vonEVP-Nationalrätin Maja Ingold gestelltenAntrag, wonach die Vorlage 6b aufgeteiltwerden soll. Die dauerhaften Sparmass-nahmen (Kinderrenten, Reisekostenusw.) sollen aus der Vorlage entfernt unddie finanziellen Auswirkungen der IV-Revision 5 und 6a abgewartet werden.Nachdem nun auch der Bundesrat diesenAntrag unterstützt, besteht doch nochHoffnung, dass eine sozialverträglicheVorlage verabschiedet werden kann.| Thomas Bickel, Bereichsleiter Recht +Politik, INSOS Schweiz

In eigener Sache

Liebe INSOS-MitgliederAm ersten Mittwoch der Herbstsessionwurden Mitglieder des Bundesrates unddes Parlaments in der «Galerie des Al-pes» von vier Lernenden, künftigen Re-staurationsangestellten, der Stiftung LaCapriola in Trin GR bedient. Die INSOS-Mitgliedsinstitution ermöglicht Jugend-lichen mit einer leichten geistigen, kör-perlichen oder Sinnes-Behinderung eineintegrative Berufsbildung in der Hotel-lerie und Restauration in Zusammenar-beit mit renommierten Hotels in Davosund in Luzern. Im Gespräch mit Ge-schäftsleiterin Marlis Saladino entdeck-te ich die Attraktivität dieser einzigar-tigen Initiative zur Eingliederung vonJugendlichen mit Handicap in Gesell-schaft und Arbeitswelt. Ausgestattetmit einer anerkannten beruflichen Qua-lifikation (Eidg. Berufsattest EBA oderIV-Anlehre) besitzen die jungen Men-schen nach ihrer zweijährigen Lehrzeitin Küche, Service, Housekeeping oder ander Réception optimale Voraussetzun-gen für den Sprung in die Arbeitswelt.Sie erhalten individuelle Begleitungund Unterstützung in den BereichenAusbildung und Wohnen/Freizeit sowieanschliessend persönliche Nachbetreu-ung bis zur erfolgreichen Integration.Mit dem Einsatz im Bundeshaus wurdenwir Politikerinnen und Politiker praxis-nah und eindrücklich sensibilisiert fürdie Integration von Menschen mit Han-dicap in den ersten Arbeitsmarkt. Einebeispielhaft gelungene PR-Aktion. Siezeigt: INSOS-Institutionen gewinnennoch mehr Glaubwürdigkeit und Zu-spruch, wenn sie zwar für die Öffentlich-keit tätig sind, dieser aber ihre Ziele,Konzepte und ihr Credo bei Gelegenheitattraktiv vor Augen führen.

Herzlich,Marianne StreiffPräsidentin INSOS SchweizNationalrätin

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Als 2009 die Idee der Wahl einer Miss Handicap umgesetzt wurde, stellte manvorerst ein gewisses Misstrauen in Insiderkreisen fest. Was soll eine solche Wahlbewirken? Körperliche Einschränkungen und Missbildungen noch mehr zur Schaustellen? Menschen mit einer Behinderung nun auch noch auf das Schönheitsidealreduzieren, wo man doch gerade das Gegenteil erreichen möchte, nämlich dass esum den ganzen Menschen geht und nicht auf Äusserlichkeiten ankommt? Seitherfand das Ereignis bereits viermal statt. Dieses Jahr wurde auch erstmals ein MisterHandicap erkoren. Man hat den Eindruck, dass der Gedanke der gesellschaftlichenIntegration, welcher hinter der Idee steckt, mit diesem Event Anklang findet undvom Publikum mit mehr oder weniger Begeisterung und Interesse mitvollzogen wird– wie bei den Miss- und Mister-Wahlen Nichtbehinderter, über die man bekanntlichauch geteilter Meinung sein kann.

Bei diesen Miss Handicap- und Mister Handicap-Wahlen geht es jedoch noch umetwas Anderes als nur um das Sich-zur-Schau-Stellen, um Schönheit und Erfolg trotzBehinderung. Die Kandidatinnen und Kandidaten zeigen, dass sie sich nicht verkrie-chen wegen ihrer Behinderung, sondern zu den Unvollkommenheiten ihres Körpersstehen. Sie zeigen, dass sie ihre Behinderung in ihre Biographie zu integrierenversuchen, und ermuntern dadurch auch alle jene, welche als Folge eines Geburts-gebrechens, eines Unfalls oder einer Krankheit eine Beeinträchtigung haben, diesebenfalls zu versuchen.

Man könnte diese Miss- und Mister-Wahlen auch mit dem Behindertensport ver-gleichen. Das Publikumsecho und das Interesse der Medien an den Paralympics wardieses Jahr ja so gross wie noch nie. Wie die Paralympics haben auch die Miss- undMister-Wahlen eine wichtige Botschaft an die sogenannt «gesunden» Menschen, dieoft unter eher belanglosen Schönheitsfehlern leiden: Beide Ereignisse zeigen, dasssich die Teilnehmenden trotz Handicap nicht «be-hindern» lassen und dass auch siemit ihren Stärken Höchstleistungen vollbringen können. Sowohl die sportlichenLeistungen von Menschen mit Behinderung wie auch die Missen- und Mister-Wahlenstellen deshalb einen wichtigen Integrationsfaktor dar – für die Betroffenen selberwie auch für die Gesellschaft.

Kolumne | Hanne Müller

Miss-Wahl, bei der es nichtnur um Schönheit geht

ImpressumHerausgeberINSOS Schweiz3000 Bern 14Erscheint 3x jährlichRedaktionBarbara Lauber (Leitung);Barbara SpycherAbopreisCHF 30.– (im Mitgliederbei-trag enthalten),Einzelnummer CHF 15.–

AdressenINSOS SchweizZieglerstrasse 53Postfach 10103000 Bern 14

Tel 031 385 33 00Fax 031 385 33 [email protected]. 80-28082-2

INSOS SuisseAvenue de la Gare 171003 Lausanne

Tél 021 320 21 70Fax 021 320 21 [email protected]

Gestaltungsatzart, Bern

Layout und DruckUD Print AG, Luzern

Auflage1600 deutsch500 französisch

Abdruck mit Quellenangabe erlaubt

Hanne Müller,dipl. SozialarbeiterinHFS, freischaffend tätig,seit Geburt behindert(Glasknochen).

P.P.3007

Bern