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Download sinfoniekonzert 01 - guerzenich- · PDF fileArnold Schönberg Kammersinfonie Nr. 1 E-Dur op. 9 für 15 Soloinstrumente 22’ Pierre Boulez Notations für großes Orchester 18’ I

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  • sinfoniekonzert 01

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    Arnold Schnberg

    Pierre Boulez

    Anton Bruckner

    Grzenich-Orchester Kln

    Franois-Xavier Roth Dirigent

  • Arnold Schnberg Kammersinfonie Nr. 1 E-Dur op. 9 fr 15 Soloinstrumente 22

    Pierre BoulezNotations fr groes Orchester 18I Modr FantasqueVII Hiratique Lent. Rgulier, sans rigiditIV RythmiqueIII Trs modrII Trs vif. Strident

    Pause

    Anton BrucknerSinfonie Nr. 4 Es-Dur Romantische 60(Zweite Fassung von 1878/1880)Bewegt, nicht zu schnellAndante, quasi AllegrettoScherzo: Bewegt, Trio. Nicht zu schnell, keinesfalls schleppendFinale: Bewegt, doch nicht zu schnell

    Grzenich-Orchester KlnFranois-Xavier Roth Dirigent

    So 10 Uhr und Di + Mi 19 Uhr Konzerteinfhrung mit Egbert Hiller

    06. Sep 15, 11 Uhr, 08./09. Sep 15, 20 UhrKlner Philharmonie

    Pierre Boulez zum 90. Geburtstag

    sinfoniekonzert 01

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    Wilde DemokratiegeruscheArnold Schnbergs Kammersinfonie op. 9Egbert Hiller

    Viele zischten und pfiffen, viele applaudierten. () Festzuhalten wre nur das Eine. Herr S. ereignet sich in Wien. Er macht wilde, ungepflegte Demokratiegerusche, die kein vornehmer Mensch mit Musik verwechseln kann. Aber der Spuk wird vorbergehen; er hat keine Zukunft, kennt keine Vergangenheit, er erfreut sich nur einer sehr uerlichen und armseligen Gegenwart.

    Mit dem Herrn S. war niemand anders als Arnold Schnberg ge-meint, dessen Kammersinfonie fr 15 Solo instrumente op. 9 im Illustrierten Wiener Extra-Blatt nicht gerade Frsprache fand. Auch die meisten anderen Rezensionen, die nach der Urauffhrung des Werks am 8. Februar 1907 in Wien erschienen, stieen ins gleiche Horn. Dass es bei der harschen Ablehnung nicht allein um die Musik ging, macht die Charakterisierung der Klnge als ungepflegte Demokratiegerusche deutlich. Die Gegner Schnbergs verteidigten zh ein Weltbild, das unweigerlich im Einsturz begriffen war. Wien, die Haupt- und Residenzstadt der Donaumonarchie, wurde in den zwei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg von einem mit krassen sozialen Gegenstzen einhergehenden industriellen und tech-

    nischen Nachholprozess erfasst, der ein rasches Wachstum der Bevlkerung auf ber zwei Millionen Menschen im Jahre 1910 mit sich brachte. Dieser Durchbruch zur Moderne fand aber im Kontext eines von alten Traditionen und berkommenen Konventio-nen geprgten Staatsgebil-des statt, das zudem von wachsenden Nationalitten-konflikten und wirtschaft-lichen Problemen ausgehhlt wurde. Die daraus resultie-renden Konflikte und Wider-sprche entluden sich in Fantasien von heiler Welt

    Arnold Schnberg* 13. September 1874 in Wien 13. Juli 1951 in Los Angeles

    Kammersinfonie Nr. 1 E-Dur op. 9fr 15 SoloinstrumenteEntstehungsjahr: 1906/1912Urauffhrung: 8. Februar 1907im Groen Saal des Wiener Musik-vereins durch das Rose-Quartettund die Blservereinigung desWiener Hofopernorchesters

    Besetzung1 Flte, 1 Oboe, 1 Englischhorn,3 Klarinetten, 2 Fagotte,2 Hrner, 2 Violinen, 1 Bratsche,1 Violoncello, 1 Kontrabass

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    Anton Webern und Arnold Schnberg

  • und guter alter Zeit einerseits und utopischen Visionen anderer-seits, was sich auch und gerade in der Kunst widerspiegelte.

    Arnold Schnberg war tief in der Tradition verwurzelt und ersprte zu-gleich intuitiv die Phnomene des Wandels, die er mit neuen, bis dato unvorstellbaren Klangkonstellationen reflektierte. Er ent wi ckelte sich zum musikalischen Revolutionr und Visionr, und mit sei-ner Kammersinfonie op. 9 vollzog er einen entscheidenden Schritt auf diesem Weg. Auch wenn Schnberg 1906 kaum ahnen konnte, dass die ersten Takte der Kammersinfonie mit ihrem Quartenakkord und dem daraus abgeleiteten sechsfach aufsteigenden Quartenmotiv Jahrzehnte spter zum Signal des Aufbruchs in die Neue Musik stilisiert werden wrden, hatte er doch sofort erkannt, dass sie einen Meilenstein in seinem Schaffen markierte: Die Kammersinfonie sei, so Schnberg, ein wirklicher Wendepunkt, umso mehr, als sie den ersten Versuch darstellt, ein Kammerorchester zu schaffen. Gleich auf mehreren Ebenen hatte er mit ihr Neuland betreten. Er lste sich vom monumentalen sptromantischen Orchesterapparat und ver-folgte strikt das Prinzip komplexer kammermusikalischer Durchbil-dung, in der jede Stimme solistisch angelegt ist. Diese Individualisie-rung der Einzelstimmen, wie sie Schnberg in Pierrot lunaire (1912) noch intensivierte, ist als Initialzndung fr jenen Ensemble-Gestus zu begreifen, der die Neue Musik in der zweiten Hlfte des 20. Jahr-hunderts prgen sollte und die Grndung speziell darauf ausgerichteter Ensembles beflgelte, etwa der London Sinfonietta, dem Ensem ble Intercontemporain und das Ensemble Modern. Ensemblestcke mit variabler Besetzung gerieten zu einem Charakteristikum der Neuen Musik, ja, sie sind, wie der Komponist und Dirigent Enno Poppe bemerkte, die Sinfonien des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

    Nicht nur im Hinblick auf die Vorwegnahme des Solistenensembles, sondern auch formal setzte Schnberg mit der Kammersinfonie Zeichen. Er verzichtete auf die traditionelle Vierstzigkeit und instal-lierte ein einstziges Formmodell, in dessen fnf Abschnitten die einzelnen Satztypen aber noch durchscheinen und sich mit Ele men-ten der Sonatenhauptsatzform durchdringen: Sonaten-Allegro, Scherzo, Durchfhrung, Adagio, Reprise-Finale. Zudem ist die Tona-litt stark erweitert mit zugespitzter Chromatik, Ganztonskalen und der Tendenz zur Quartenharmonik, die die konventionelle, auf Drei-klngen fuende Terzenschichtung verdrngt und sich im Quarten-motiv vom Beginn sinnfllig ankndigt. Vollends gesprengt hat Schnberg in seiner Kammersinfonie die Grenzen der Dur-Moll-Tona-litt zwar noch nicht, aber es tat sich schon eine neue Dimension im Raum auf, wie sie Schnbergs Schler Erwin Stein kurz darauf anhand der ersten atonalen Kompositionen hervorhob.

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    Ohren auf! Unter diesem Motto steht das Angebot des Grzenich-Orchesters an Kinder und Jugendliche.

    Wir untersttzen dieses Engagement des Orchesters, weil wir wissen, wie wichtig das kulturelle Erleben schon in frhen Jahren ist. Und weil wir uns als internationales Unternehmen aus der Region unserer Stadt verpflichtet fhlen.

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    Weil wir das Grzenich-Orchester untersttzen.

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  • Im Prisma der Imagination Pierre Boulez: Notations I bis IV und VII

    Auch fr Pierre Boulez war Schnbergs Kammersym-phonie op. 9 ein Schlssel-werk, das ihn an einen radikalen knstlerischen Neuanfang nach dem Zwei-ten Weltkrieg glauben lie. 1943, noch mitten im Krieg, traf er die Entscheidung, Musiker zu werden. Er brach sein Mathematikstudium in Lyon ab und trat ein Jahr spter in die Kompositions-klasse von Olivier Messiaen am Pariser Kon ser va torium ein. 1945, unmittelbar nach Kriegsende, verffent-lichte Boulez seine Douze Notations fr Klavier, die er als sein erstes vollgltiges Werk ansah. Ohne musi-kalisch-sinnliche Aspekte

    auszublenden, erfllte er die strukturelle Vorgabe, die er sich selbst auferlegte, mit uerster Konzentration. Die Zahl Zwlf ist in den Notations im wahrsten Sinne des Wortes das Ma aller Dinge. Es sind zwlf Stcke, die jeweils zwlf Takte lang sind und auf einer identischen Zwlftonfolge basieren: as b es d a e c f cis g fis h.

    In der gemeinsamen Aufbruchsstimmung nach 1945 waren auf dem Feld der Musik die Vorbehalte gegen die Feinde von gestern schnell berwunden. Die Darmstdter Schule schwang sich zum Kommunikationszentrum auf mit Pierre Boulez, Karlheinz Stock-hausen und Luigi Nono als Hauptprotagonisten. So einschneidend wie die Zsur nach dem Zweiten Weltkrieg in der so genannten heroischen Phase der Neuen Musik empfunden wurde, war sie aus historischer Sicht indes nur bedingt; denn die seinerzeit mageblichen seriellen Tendenzen hatten ihren Ursprung in der

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    Pierre Boulez* 26. Mrz 1925 in Montbrison

    Notations I bis IV und VII fr OrchesterNotations I bis IV: 1945/1978/1984/1987 Urauffhrung: 18. Juni 1980, Paris, Orchestre de Paris, Leitung: Daniel BarenboimNotation VII: 1945/1997/2004 Urauffhrung: 14. Januar 1999, Chicago, Symphonie Orchestra of Chicago, Leitung: Daniel Barenboim

    Besetzung4 Flten, 3 Oboen, 1 Englischhorn, 4 Klarinetten, 4 Fagotte, 6 Hrner, 4 Trompeten, 4 Posaunen, Tuba, Pauke, Schlagwerk, 3 Harfen, Celesta, Klavier, Streicher

  • Pierre Boulez und Franois-Xavier Roth

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    Zwischenkriegszeit: in Arnold Schnbergs Zwlftontechnik und deren Auslegung durch Anton Webern, der zum Propheten der seriellen Musik stilisiert wurde. Dass Boulez bis heute sehr stark mit dem Serialismus identifiziert wird, betrachtet er eher als ein Missver-stndnis: Strenger Serialist war ich nur zwei Jahre lang, 1950 und 1951. Zu viel Logik schlgt ins Absurde um, aber diese Erfahrung war wichtig, sie hat immun gemacht gegen ein berma an Regu-lation und ermglichte eine neue Freiheit.

    Ein besonderes Merkmal dieser Freiheit ist sein Verstndnis von work in progress. Stndig hinterfragt er seinen knstlerischen Stand und revidiert seine Kompositionen, aktualisiert sie gewisser-maen und unterluft damit die Unantastbarkeit des autonomen Kunstwerks: Vollendung ist kein Ziel. Das ist wie eine Spirale fr mich. Meine Werke sind, wie viele Bilder von Czanne, immer voll-endet und unvollendet zugleich.

  • Das galt auch fr die Douze Notations, deren Material fr Boulez ber drei Jahrzehnte nach ihrer Niederschrift noch lebendig war. Als der heute 90-Jhrige 1978 begann, einige Teile daraus die Nummern I bis IV und VII fr Orchester umzuarbeiten, gehrte er lngst zu den herausragenden Persnlichkeiten (nicht nur) der zeitgenssischen Musik. Als Dirigent war er von 1976 bis 1980, zusammen mit dem Regisseur Patrice Chreau, mit dem Ring des Jahrhunderts bei